Gerade bei der Umsetzung eines so neuen Konzeptes, wie dem Görlitzer Haus, stellt sich die Frage nach den gewonnenen Erfahrungen und den daraus resultierenden Schlussfolgerungen für zukünftige Projekte.
Der Gedanke, auf die verstärkte Kellerdecke eines abgezonten Wohnblocks ein Gebäude mit Laubengang wieder neu aufzubauen, ist, auf der Basis der KommWohnen-Grundidee, von einer international besetzten Arbeitsgruppe weiter entwickelt worden.
Insbesondere die Nutzung eines Laubengangs zur kostengünstigen barrierefreien Erschließung aller Wohnungen im ersten und zweiten Obergeschoss hatte sich bereits bei vielen Partnern in den unterschiedlichsten Regionen Europas bewährt. Aufgrund der vielfachen positiven Erfahrungen mit dieser Lösung gab es keinen Grund, an einer Akzeptanz in Görlitz zu zweifeln.
Gerade in den ersten Monaten nach Fertigstellung wurde Kritik an dem Konzept der Laubengangerschließung geäußert. Eine häufig in diesem Zusammenhang genannte Sorge war die Zugänglichkeit des Laubengangs für Jedermann und damit verbunden die höhere Gefahr, als Bewohner Opfer eines Einbruchs zu werden. Erst langsam setzte sich hier das Bewusstsein durch, dass der Laubengang durch die öffentliche Einsehbarkeit für Kriminelle ein viel zu hohes Entdeckungsrisiko bedeuten würde.
Daneben wurde aber auch die Anordnung von Schlafräumen zum Laubengang kritisiert. Hier wurde befürchtet, dass es zu Störungen der Bewohner gerade bei der Nachtruhe kommen könnte. Diesen Aspekt wird KommWohnen in zukünftigen Projekten berücksichtigen müssen.
Die in der EFL-Arbeitsgruppe entwickelten Grundrisse basierten auf positiven Erfahrungen in verschiedenen Regionen Deutschlands und Europas. In Görlitz wurden diese Wohnungszuschnitte zunüchst nicht gut angenommen.
Hier kam sicherlich eine Görlitzer Besonderheit zum Tragen. Seit den 90er Jahren hat der stete Bevölkerungsrückgang dazu geführt, dass nur wenige Neubaumaßnahmen in Görlitz realisiert wurden. Zudem sorgte das breite Angebot an Altbauwohnungen ebenfalls eher für Sanierungs- als für Neubauvorhaben. Dieser Umstand drückt sich auch im Görlitzer Sprachgebrauch aus: Als Neubaugebiete werden Wohnquartiere mit 40 Jahre alten Gebäuden bezeichnet. Dementsprechend gab es nur wenig Möglichkeiten in Görlitz, um zeitgemäße Grundrisse zu entwickeln und damit für Mieter erfahrbar zu machen. Das im Neubau weit verbreitete Konzept der Wohnküche ist in Görlitz daher nur wenig umgesetzt worden. Gerade aus diesem Grund wollte KommWohnen die Möglichkeit nutzen, in diesem Neubau Alternativen zu den jahrzehntealten Grundrissen der Bestandsgebäude zu schaffen. Nur sehr langsam wächst bei Görlitzer Mietinteressenten das Interesse an dieser Wohnform. Bei Neugörlitzern wurden die modernen Grundrisse des Görlitzer Hauses viel stärker geschätzt.
In einem so schwierigen Wohnungsmarkt wie dem in Görlitz ist es eine Selbstverständlichkeit, Baumaßnahmen immer an einer konkreten Bedarfssituation auszurichten. Da Zweiraumwohnungen in der Vergangenheit immer wieder stärker nachgefragt wurden, als Wohnungsangebote vorhanden waren, war es naheliegend, bei dem Görlitzer Haus dieser Wohnungsform den Vorrang einzuräumen. Bei der konkreten Umsetzung ist KommWohnen allerdings über das Ziel hinausgeschossen. 36 Wohnungen mit gleichem Grundriss zeitgleich anzubieten, hat die Vermarktung zusätzlich erheblich erschwert. Auch wenn langfristig eine ungebremste Nachfrage dieser Wohnungen zu erwarten ist, gibt die Nachfrage auf dem Görlitzer Wohnungsmarkt das Potential für diese Größenordnung zu einem Zeitpunkt nicht her. Für schnellere Vermarktungserfolge wären unterschiedliche Wohnungsgrößen erforderlich gewesen.
Demgegenüber hat sich das Festhalten an den KommWohnen typischen XXL-Balkonen sowie an den Mietergärten bei den Erdgeschosswohnungen bewährt.
Bei der Schwelle zu den Balkonen und auch bei den Duschen muss KommWohnen bei zukünftigen Projekten noch konsequenter das Konzept der Barrierefreiheit verfolgen.
Auch die Begrünung der Laubengänge hätte von Beginn an schneller umgesetzt werden müssen. Die offene Konstruktion des Laubengangs bietet hier vielfältige Gestaltungsmäglichkeiten. Eine Begrünung des Laubengangs unterstreicht die Offenheit und Wohnlichkeit dieses Konzeptes. Eine konsequentere Umsetzung des vorliegenden Begrünungskonzeptes hätte geholfen, die Vorbehalte gegen den in Görlitz noch weitgehend unbekannten Ansatz der Laubengangerschließung schneller abzubauen.
Mit dem nun vorliegenden Beispiel des Görlitzer Hauses in der Jonas-Cohn-Straße wird es zukünftig sicher leichter sein, ähnliche Projekte zu vermarkten. KommWohnen muss jedoch noch einige Details anpassen, um den konkreten Wohnvorstellungen des Görlitzer Mietinteressenten besser gerecht zu werden.
Zum Nachlesen:
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